Mittwoch, 9. November 2011
Möchtegern-Männer und die Farbe Pink XIX
Wie immer mogelte er sich ungeniert und unverschämt an allen langweiligen, möchtegern-moralischen Vorträgen, die jeder andere Mitarbeiter für ein verpasstes Meeting und einen verpennten Vormittag hätte ertragen müssen, vorbei, ließ sich in seinen eigenen „böses Genie, das die Weltherrschaft anstrebt“-Chefsessel fallen und schickte seine neue, ziemlich dumme, aber dafür loyale Assistentin, die zwar keine große Hilfe war, aber nett anzusehen und die ihn mit dem gebührendem Respekt behandelte, Kaffee kochen.
Und dann hatte er zwischen Anrufen von verzweifelten Klienten und zwischen dem riesigen Haufen an Akten, die er noch zu bearbeiten hatte, endlich Zeit ein bisschen darüber nachzudenken, was am vorherigen Abend so alles passiert war.
Da wäre zunächst die Sache mit Sandy gewesen. Die Erinnerungen daran fühlten sich eher unspektakulär an, auch wenn er sich sicher war, spektakulär gewesen zu sein.
Aber dann war da natürlich noch etwas anderes, das ihn zum Nachdenken brachte.
Was war das mit Mia?
Warum hatte er sie bei sich übernachten lassen?
Einfach so, ohne großes Überlegen.
War das so eine Art- oh mein Gott- Verliebtheit?
Oder doch nur ein Beschützerkomplex aufgrund des fehlenden Vaters in seiner Kindheit (ja, wie einfach es war, alle seine Fehler durch die kaputte Kindheit rechtfertigen zu können- ohne Trauma ist man ein Arsch, mit ist man irgendwie kaputt und interessant- das war das ganze Doktor House-Phänomen- die Frauen denken, es steckt mehr dahinter und sind sofort verrückt nach einem, anstatt wegzulaufen, was angebrachter wäre)?
Mia. Mia?
Dass er sie so getroffen hatte, wie er sie getroffen hatte, das konnte doch kein Zufall sein.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, an einem total versteckten abgeschotteten Ort, an dem er seit über zehn Jahren nicht mehr gewesen war, eine Frau kennenzulernen?
Und wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, diese Frau dann eben nicht wieder zu treffen, wenn man nach ihr sucht, sondern genau dann, wenn man mal für einen Moment wirklich nicht an sie denkt?
Wie groß die Wahrscheinlichkeit, dass diese Frau in diesem Moment zu Hause im Bett liegt und auf einen wartet?
Würde er annehmen, dass er sich geirrt hatte und so etwas wie Schicksal doch irgendwo existierte, müsste es dann nicht so sein, dass Mia die Frau für ihn war?
Denn wie groß wäre wohl die Wahrscheinlichkeit, dass das alles passierte und die Frau dann auch noch wunderschön und lieb und an ihm interessiert war?
Jedenfalls verschwindend klein. Es sei denn Fortuna hätte auch ihren Teil dazu beigetragen.
Konnte er an sowas glauben?
Wollte er an sowas glauben?
Und der Werbeindustrie Recht geben?
Wie könnte er?

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