Montag, 24. Oktober 2011
Möchtegern-Männer und die Farbe Pink XVII
Nur fühlte er sich irgendwie nicht so erfüllt, wie er es zuvor gehofft hatte.
Er fühlte sich stark und männlich und sexy und total „James Bond meets Doktor House“-mäßig cool, keine Frage, aber irgendwie fühlte er sich jetzt auch noch mehr als vorher- naja, leer.
Und obwohl es mitten in der Nacht war, zog es ihn wieder zu seinem Kindheitsversteck zurück.
Und obwohl er den Zugang im Dunkeln kaum finden konnte, ließ er nicht locker, bis er dort war.
Und dort, gerade jetzt um diese unmenschliche Uhrzeit, saß Mia auf seiner Bank.
Und sie weinte.

„Wow, ich hätte nicht gedacht, dich nochmal hier zu sehen.“
„Naja, ich dachte, wenn es so sein sollte, würde es auch passieren.“, sie lächelte mild.
Oh mein Gott, sie glaubte an so etwas wie Schicksal.
Brad sah sie an und erst jetzt bemerkte er, wie schön sie eigentlich war.
Jede Frau sagte sich natürlich gerne, dass sie beim Weinen schön aussah, zart und weiblich, obwohl sie einfach nur rot, verquollen und hässlich wurde. Aber bei Mia stimmte es.
Sie sah aus, als wäre alles Schlechte der Welt von ihrem Gesicht abgewaschen, als wäre nichts geblieben, als vollkommene Reinheit. Und im Mondlicht glänzte ihre Haut in einem sanften Elfenbeinton. Sie war ein wahnsinniger Kontrast zu den Toastbrotbräuten, die er meistens abschleppte, weil sie einfach am allerleichtesten zu haben waren.
„Was ist passiert? Warum weinst du?“
„Es ist nichts Schlimmes passiert. Ich benehme mich sehr lächerlich. Als wäre jemand gestorben oder so.“, schluchzte sie. „Was ist denn?“, hakte Brad nach.
„Mein kleiner Bruder hat geheiratet. Ich freu mich ja auch für ihn, aber wieder als einziger Single auf einer Hochzeit und alle fragen, was denn mit mir ist und wann es denn bei mir soweit ist. Keine Ahnung. Eigentlich finde ich es nicht wirklich schlimm allein zu sein, aber in solchen Momenten…“
Brad musste unwillkürlich an die Hochzeit seiner Cousine Stacie denken.
Er war nicht alleine da gewesen, sondern mit irgendeiner Tussi X/Y, hatte die Bar ordentlich bearbeitet, seine berühmte John-Travolta-Imitation zum Besten gegeben (leider etwas unpassend zum Hochzeitswalzer, den Braut und Bräutigam gerade begonnen hatten), sich ein paar Stücke Torte gesichert und sich dann mit Tussi X/Y und irgendeiner sturzbesoffenen Brautjungfer, die ihre Frustration, wieder mal nur neben statt vor dem Altar zu stehen, scheinbar nicht ertragen konnte,
nach oben auf ein Zimmer verzogen (Hochzeitsempfänge in Hotels waren einfach spitze).
Dem Bräutigam hatte er übrigens sein herzlichstes Beileid ausgesprochen und mit jedem der einsteigen wollte, hatte er um die Dauer der Ehe gewettet. Er war mittlerweile ein Profi in diesem Spiel. Ihnen hatte er ein Jahr und zehn Monate gegeben. Jetzt nach anderthalb Jahren schrien sie sich bereits nur noch an und gingen zur Paartherapie (die allerdings nicht wirklich zu fruchten schien).
Topp, die Wette gilt.
„Mmmh“, machte er verständnisvoll in Richtung Mia, während er innerlich lachen musste, bei dem Gedanken an die arme Brautjungfer, die am nächsten Morgen (spätestens jetzt nicht mehr so jungfräulich) mit vor Scham gesenktem Kopf sein Zimmer verließ. Mann, war das süß gewesen.
Man merkte immer wenn ein Mädchen gerade seinen ersten Total-Absturz hinter sich hatte. Da entwickelte Brad fast so etwas wie väterliche Gefühle.
Solche, die ihm nie jemand wirklich entgegengebracht hatte…

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