Montag, 12. September 2011
Möchtegern-Männer und die Farbe Pink XI
Eine halbe Stunde und zwei Drinks später fand Brad sich an einem anderen Tisch in weitaus attraktiverer Gesellschaft wieder. Die Dame ihm gegenüber war brünett, überaus attraktiv und zudem fast schon unglaubwürdig naiv. Er hatte ein leichtes Spiel. Er musste nicht einmal lügen, eine leicht angepasste Version der Wahrheit reichte völlig aus.
Und so erfuhr das scharfe Häschen (auch Sandra genannt – oder war es Susi?), dass er an einem streng geheimen Fall arbeitete und gestern das Adressbuch einer wichtigen Schlüsselperson an sich bringen konnte. Leider hatte er privat nicht so ein Glück, denn die wichtigste Frau in seinem Leben hatte beschlossen, ihn zu verlassen. Und nun war er hier, um seine Einsamkeit zu vergessen und wo alles vorher so hoffnungslos erschienen war (hier schaute er ihr für einen Moment tief in die Augen), schien auf einmal die Sonne am wieder am Horizont aufzugehen (charmantes, wenn auch etwas schüchternes Lächeln). „Eigentlich dachte ich, ich wäre noch zu verletzt, aber bei dir spüre ich eine ganz besondere Verbindung, ich weiß auch nicht, so etwas habe ich noch nie zuvor gefühlt.“
Okay, der letzte Teil war ne glatte Lüge.
Die ganz besondere „Du bist scharf und deshalb möchte ich heute unbedingt mit dir schlafen“-Verbindung hatte er schon sehr oft gefühlt.
Aber ansonsten war alles wahr.
Alles andere waren Interpretationen und ihre Interpretationen waren ihre Schuld.
Sofort davon auszugehen, dass mit der wichtigsten Frau im Leben automatisch die Freundin oder gar Frau gemeint ist, war einfach ziemlich vorschnell.
„Lass uns bei mir noch einen Kaffee trinken.“, sagte sie mit einem gespielt schüchternen Lächeln,
„Dein Tag sollte ein gutes Ende haben.“
„Für Kaffee bin ich immer zu haben.“, log Brad.
„Aber nur, wenn es sich dabei um eine Metapher handelt“, fügte er gedanklich hinzu, um die Sache richtig zu stellen.
Und während er durch die Eingangstür raus in die kühle Nachtluft schritt, drehte er sich noch ein letztes Mal um und warf Billy, der immer noch die Blonde von der Bar bearbeitete, ein breites Siegerlächeln zu.

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Dienstag, 6. September 2011
Möchtegern-Männer und die Farbe Pink X
Seine besten „Samstagabendfreunde“, Billy und Tom, saßen schon in ihrer Lieblings-„Samstagabendaufreißbar“ an ihrem Stammplatz und tranken ein paar Biere, als er die Tür schwungvoll aufstieß und seinen Auftritt inszenierte.
Ein Lächeln hier, ein Augenzwinkern da, oh yeah, die Ladies lagen ihm eindeutig jetzt schon zu Füßen. Wie könnten sie auch nicht?

„Hey Brad altes Haus, was geht ab? Spiel heute gesehen?“, wurde er von einem lauten Billy mit voller männlicher Begeisterung begrüßt.
Brad hielt nicht sonderlich viel vom Fußball, also versuchte er, um nicht uninformiert oder schlimmer, unmännlich, rüberzukommen, möglichst schnell und elegant das Thema zu wechseln.
„Musste arbeiten, scheiß Sklaventreiber.“, murmelte er.
„Was mich aber ohnehin viel mehr interessiert, wie sieht’s aus mit dem Angebot heute?“
Und obwohl die anderen beiden sicherlich schon eine ganze Weile dort gesessen hatten, ließen alle drei Männer wie auf ein geheimes Kommando hin, ihre Blicke noch einmal ausgiebig durch die Bar wandern, um jedes anwesende Wesen zu taxieren, dass unter 30, schlank und mindestens mit Körbchengröße C gesegnet war.
Es war der Kellner, der sie in diesem Ritual unterbrach.
„Darf es noch etwas zu trinken für die Herren sein?“
„Drei Wodka Martini für mich und meine Freunde.“
„Sehr gern, Sir.“
„Warten Sie! Geschüttelt, nicht gerührt.“
Der Kellner zog skeptisch seine rechte Augenbraue in die Höhe, deutete eine Verbeugung an und verließ den Tisch ohne ein weiteres Wort.
„Ein Neuer.“, schnaufte Brad verächtlich.
Und auf die genervten Blicke seiner Kumpanen hin fügte er hinzu:
„Es gibt nun mal nichts besser als einen ordentlichen Drink. Und für eine Nacht die verspricht so legendär zu werden, wie die heutige, braucht es einen echten Klassiker für echte Männer.“
Jetzt ähnelten die Gesichtszüge seiner Freunde mehr und mehr dem Ausdruck des Kellners.
„Alles klar mit dir, Mann?“, fragte Tom ihn schließlich.
Brad überlegte einen kurzen Moment, dann schlug er mit der Faust auf den Tisch vor ihm und
gab ein energisches Statement zur Situation ab.
„Was ist nur los mit euch Waschlappen? Wollt ihr Mami-Söhnchen jetzt etwa über Gefühle quatschen oder sowas? Vielleicht mach ihr das lieber morgen bei eurem Mani-Pedi-Termin im Weicheier-ohne-Schwanz-Spa auf der Ich-hatte noch-nie Sex-mit etwas –anderem-als-meiner-Hand-Straße?
Ich jedenfalls bin hier, um Frauen aufzureißen. Macht mit oder haltet die Klappe.“
„Ich krieg die scharfe Blonde an der Bar“, erklärte Billy mit einem Schulterzucken, leerte den Drink, den der Kellner mittlerweile gebracht hatte und stand auf, um sich auf die Jagd zu begeben.
„Das ist der Spirit, den wir brauchen!“, jubilierte Brad, als er mit Tom anstieß.
„Auf die Freiheit!“ „Auf die Freiheit!“

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Samstag, 3. September 2011
Möchtegern-Männer und die Farbe Pink IX
Als Brad aus einem absolut männlichen Supertraum erwachte, in dem er eine wunderschöne Frau heldenhaft aus den Fängen einer riesigen Killerkakerlake gerettet hatte, schallte ihm aus seinem super Surround-System absolute Schwuchtelmusik entgegen, irgend so ein Blindgänger-Barde sülzte irgendwas von „You’re beautifuuuuuuuul“ .
„You’re leider nooooooooot. And you’ll never get a Frahauuuuuuuuuuu!“, jaulte Brad penetrant zurück und schmiss sein Kopfkissen gegen den Ausschalter seiner Stereoanlage.
Dann stand er auf, betrachtete sich im Spiegel, setzte sein bestes „Rambo-Gesicht“ auf und fand, dass er schon wie ein ziemlich harter Kerl aussah mit seinem blauen Auge, der angeschwollenen Nase und der blutverkrusteten Wunde an der Lippe. Er sah aus wie der harte Kerl, der er auch war.
Und weil er eben ein harter Kerl war, schritt er feierlich zu seiner Stereoanlage, entnahm ihr die Weichei-CD und benutzte sie als Frisbee, um die Tauben auf dem Dach vor seinem Fenster abzuschießen. Als sie erschrocken wegflatterten, hatte Brad für einen Moment ein schlechtes Gewissen. Er liebte diese Tauben. Tatsächlich hatte er ihnen allen einen Namen gegeben und sie gefüttert, damit sie immer wiederkamen. Aber dieser Moment hielt nur solange an, bis ihm wieder einfiel, wie stark und männlich er war. Und starke, männliche Männer redeten nicht mit Tauben.
Weder Rambo, noch der Terminator, weder B.A. Baracus, noch Batman zeigten bemerkenswerte Tierliebe oder hörten Schnulzenmusik.
Und keiner von ihnen wurde melancholisch, weil seine Assistentin gekündigt hatte.
Keiner von ihnen hatte eine Assistentin (auch Batgirl kam erst sehr spät und nervte dann nur)!
Echte Männer waren Einzelkämpfer!
Und echte Männer saßen an einem Samstagabend garantiert nicht zu Hause rum wie irgendwelche Loser, nein, echte Männer gingen samstagabends mit ihren Co-Piloten auf die Jagd.
Also schlüpfte Brad in sein bestes „Samstag-Abend/ Cooler Typ“-Outfit, zupfte seine preisgekrönte Frisur (zumindest sollte sie preisgekrönt sein) wieder richtig in Form und ließ die Tür hinter ihm schwungvoll ins Schloss fallen.

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Donnerstag, 1. September 2011
Möchtegern-Männer und die Farbe Pink VIII
Nachdem er zu den Klängen von „TNT“ ordentlich vermöbelt worden war, ging Brad nach Hause und kühlte seine Augen und seine Nase mit viel Eis. Dann legte er sich auf seine rote Baumwollbettwäsche (es wurde langsam Herbst, da wurde ihm der Satinstoff einfach zu kalt) und schlummerte zu den Klängen seiner neuen James Blunt CD friedlich ein. Wenn er ein bisschen geschlafen und sein Körper sich ein bisschen erholt hatte, würde sein blödes Auge auch aufhören zu tränen… und das andere auch…

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Freitag, 26. August 2011
Möchtegern-Männer und die Farbe Pink VII
Als er in Annis kleinen, aber charmanten Eingangsbereich eintrat, hörte er die unverwechselbaren ersten Akkorde von „Highway to Hell“ aus der Küche hallen.
„Living easy, living free...“, hörte er Anni einstimmen.
Naja, schlecht drauf oder irgendwie verstört zu sein wegen dem, was gestern passiert war, schien sie jedenfalls nicht. Sie schien eher Party zu machen….Also stieß Brad die Tür mit einem lauten „Überraschung!“ auf und betrat den Raum.
Nachdem sie sich von dem ersten Schock erholte hatte, drehte Anni die Musik leiser, schaute ihn mit diesem skeptisch-genervten Blick an, den nur sie drauf hatte und frage einfach nur:
„Ist meine Eingangstür noch in Ordnung?“
Brad musste unwillkürlich grinsen. Sie kannte ihn einfach zu gut.
„Ja, funktioniert sogar besser denn je.“ Charmantes Lächeln. „Das sind meine magischen Hände!“ Spielerisches Augenzwinkern.
Nach einer Weile des Schweigens fügte er hinzu: „Willst du deinem Besuch nicht einen Kaffee anbieten oder sowas? Es kommt schließlich nicht oft vor, dass so jemand wie ich sich in diese Gegend verirrt.“
Doch irgendwie schien sein ganzer Charme heute nicht zu zünden – war vielleicht Vollmond oder sowas?- denn Anni schaute ihn nur an und sagte: „Was willst du hier, Brad?“
Sie klang nicht wütend oder genervt, aber, obwohl sie lächelte auch nicht so warm und freundlich, wie man es von ihr gewohnt war. Sie wirkte irgendwie künstlich. Ihr Lächeln sah auf einmal genauso falsch aus, wie das der Barbies, mit denen er immer schlief.
„Heute Morgen war ein Meeting angesetzt. Hattest du das vergessen?“
Anni seufzte. „Nein, Brad. Ich hab auch schon da angerufen. Ich muss nicht mehr zu den Meetings kommen, denn ich habe gekündigt. Es wird Zeit für mich, mich endlich beruflich weiterzuentwickeln.“ Und dann zuckte sie mit den Schultern.
Wow, damit hatte er nicht gerechnet.
„Aber Anni, du bist die rechte Hand von einem der größten Helden des 21. …“
„Verdammt, Brad.“, oh Mann, jetzt wurde sie leicht aggressiv, „,falls das überhaupt dein richtiger Name ist, hör endlich auf mit dem Scheiß. Du bist kein Geheimagent oder so was, du bist Scheidungsanwalt! Und irgendwelchen Frauen ihre Kalender zu klauen, ist keine Heldentat!“
Okay, da sprachen jetzt eindeutig verletzte Gefühle aus ihr, also Ansprache abspulen:
„Hey Anni-Baby, ich weiß der Gedanke an mich mit einer anderen Frau zerreißt dir dein kleines Herz, aber…“
„Brad, du kannst meinetwegen mit allen Toastbrot-Bräuten auf der ganzen Welt schlafen.
Meinetwegen können die das auch den ganzen Tag lang live im Asi-TV übertragen. Meinetwegen können die sogar einen ARD-Brennpunkt zum Thema „Brad Newmans Sexualleben“ übertragen, es interessiert mich nicht.“ Anni holte Luft: „Ich kann nicht glauben, wie ich es aushalten konnte zwei ganze Jahre lang mit einem groß gewachsenen Kind wie dir zu arbeiten, das immer noch in einer Fantasiewelt lebt. Und jetzt fände ich es gut, wenn du gehen würdest. Der Raum ist eindeutig zu klein für mich und für dein Ego. Du weißt ja, wo die Tür ist.“
„Wow, ich muss zugeben, deine Ansprache hat meine getoppt. Du entwickelst echt Talent. Kleine. Naja, wer eben beim Meister lernt…“
„Raus!!!“ Jetzt schrie sie. Brad hatte Anni noch nie schreien gehört. In zwei Jahren.
Es war unheimlich. Womöglich bildete er sich das nur ein, aber Brad war sich zu fast 100 Prozent sicher, dass er so eine riesige, hervorstehende, pulsierende Ader an ihrer Stirn gesehen hatte, so wie bei Bruce Willis oder sowas. Also ging er und dachte darüber nach, einen neuen „Stirb Langsam“-Teil mit einer furchterregenden, dickadrigen Antagonistin zu produzieren. Das kam definitiv auf seine To-Do-Liste.
Als er schließlich im Treppenhaus stand und ihn von der Treppe nach oben aus ein Anabolika-Opfer im Muskelshirt wütend anstarrte und fragte, ob er das Arschloch wäre, das ihn aus dem Bett geklingelt hatte, bemerkte er, dass Anni das Wort „Toastbrot-Braut“ benutzt hatte.
Das Mädel hatte echt zu viel Zeit mit ihm verbracht.
Bei dem Gedanken musste er unwillkürlich grinsen.
Erst als Anabolika-Anton mit großen Schritten auf ihn zukam, wurde ihm klar, dass das vielleicht gerade nicht so angebracht gewesen war.

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Sonntag, 14. August 2011
Möchtegern-Männer und die Farbe Pink VI
Nachdem auch sein noch so vehementes Klingeln ignoriert geblieben war, beschloss Brad schließlich sich selbst Zutritt zum Haus zu verschaffen.
Also drückte er mit der Handfläche wahllos auf sämtliche Klingelknöpfe.
„Brrrr.“, machte der Türöffner.
Bingo, irgendjemand machte doch immer auf.
Glücklicherweise gab es einen Aufzug in Annis Hochhaus, sodass er bequem bis direkt vor ihre Wohnungstür fahren konnte und sich nicht sinnlos mit irgendwelchen Nachbarn, die er aus ihrer Mittagsruhe oder so geklingelt hatte, herumstreiten musste.
Normalerweise gehörte es zu seinen liebsten Hobbies solchen Flachpfeifen verbal in den Arsch zu treten, aber nach der letzten Nacht und seinem erst fünf Minuten zurückliegenden Alkoholkonsum stand ihm der Sinn nun wirklich nicht nach solch trivialem Vergnügen.
Nachdem Anni auch nach wiederholtem Klingeln die Tür nicht geöffnet hatte, holte er nach zwei kurzen Schulterblicken, um sich seiner Unsichtbarkeit zu versichern, seine Mastercard aus der Tasche und verschaffte sich damit gekonnt Zutritt zu Annis Wohnung (dass seine Eltern ihn als Kind ständig auf irgendwelche pädagogisch wahnsinnig sinnvollen Jugendfreizeiten geschickt hatten, zahlte sich wirklich immer wieder aus. Und er hatte dort noch weit mehr gelernt, als nur Türen aufzubrechen… aber das war eine andere Geschichte und gehörte jetzt wahrlich nicht zur Sache).
Okay, die ganze Aktion hier war jetzt vielleicht etwas übertrieben.
Aber Brad Newmans Assistentin hatte gefälligst rund um die Uhr für ihn erreichbar zu sein und das wusste Anni. Irgendetwas stimmte nicht.
Außerdem, wie sagte man so schön, ein Wohnungseinbruch ist kein Wohnungseinbruch.

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Sonntag, 7. August 2011
Möchtegern-Männer und die Farbe Pink V
Auf dem Weg zu Annis Wohnung überlegte Brad, was er eigentlich zu ihr sagen wollte.
Den Vorfall von letzter Nacht einfach zu ignorieren ging wohl nicht.
Aber wie sollte er es am besten ansprechen?
Vielleicht machohaft, wie ein echter Mann:
„Hey Anni-Baby, ich weiß, der Gedanke an mich mit einer anderen Frau zerreißt dir dein kleines Herz, aber ich bin nun mal ein wilder Hengst , viel zu freiheitsliebend, um sich von nur einer Frau an die Kandare legen zu lassen. Du kannst mich nicht zähmen und keine wird das je können!“
Ja, in dieser Rolle gefiel Brad sich und also das würde er ja auch geil finden, so als Frau. Endlich mal eine vollkommen einleuchtende und nachvollziehbare Erklärung für männliches Verhalten. Aber Anni würde ihm wahrscheinlich eine scheuern und ihn hochkant wieder rausschmeißen.
Aber dann vielleicht auf die sensible Tour:
„Hey Anni, ich weiß, du musst gestern ziemlich überrumpelt gewesen sein, als du mich und äääh, diese Frau“ (er sollte für diese Fälle echt langsam mal anfangen die Weiber nach ihren Namen zu fragen) „zusammen im Bett gesehen hast. Würde mir umgekehrt wahrscheinlich auch so gehen.
Und, ich weiß, ich bin eine männliche Schlampe, aber das wird ja hoffentlich alles vorbei sein, wenn ich doch nur erst die Richtige an meiner Seite habe.“
Oder ganz expertenhaft psychologisch untermauert:
„Ich weiß auch nicht, warum ich andauernd mit irgendwelchen Schlampen schlafe. Muss an einem Kindheitstrauma liegen. Vermutlich hab ich den Ödipuskomplex nie wirklich überwinden können und bin deshalb absolut unfähig tiefere emotionale Bindungen zu einer anderen Frau als meiner Mutter aufzubauen.“
Oder einfach schlicht sachlich, wie es nun mal war:
„Du hast mich beim Sex gesehen. Peinliche Situation für Kollegen. Aber ich bin nun mal ein Mann und habe Bedürfnisse. Da kann so etwas passieren. Und jetzt lass uns zur Tagesordnung übergehen.“
Aber alle diese grandiosen Ansätze verstärkten Brads Nervosität nur noch.
Während der erste ihm nach wie vor gefiel, aber Anni nur wütend machen würde, grenzten Nummer zwei und drei an Selbstverleumdung und vier war schlichtweg undiskutabel.
Kurz fragte Brad sich, warum er sich vor Anni eigentlich rechtfertigen wollte, schließlich waren sie ja kein Paar oder so, sondern nur Kollegen, allenfalls Freunde.
Diesen Gedanken verdrängte er allerdings recht schnell, besorgte sich eine Flasche Bier und zwei Kurze am freundlichen Kiosk um die Ecke und beschloss einfach zu schauen, was ihm so spontan in den Sinn kam, wenn er bei Anni war. So hatte es sein ganzes Leben lang bis jetzt ja auch ganz gut funktioniert. Vielleicht sollte er einen Ratgeber für andere Männer in prekären Situationen schreiben und sie an dieser Geheimformel teilhaben lassen…

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Dienstag, 2. August 2011
Möchtegern-Männer und die Farbe Pink IV
Um kurz nach halb durchschritt er also die große gläserne Eingangstür der Organisation und durchquerte die modern eingerichtete Eingangshalle.
„Hey Brad, zum Meeting? Bist ziemlich spät dran!“
„Das Beste kommt zum Schluss, Tony, weißte doch!“
„Morgen Brad, Mann, siehst du scheiße aus! Harte Nacht gehabt?“
„Heute schon mal in den Spiegel geguckt? Und, ja, ‚hart‘ kann man wohl sagen.“
Manchmal hasste er sich selbst ein bisschen dafür, dass er so ein großkotziges Arschloch war.
Und wenn der arme, mit Übergewicht und Stirnglatze gesegnete, Peter, der mit Sicherheit seit dem Ende der „Freien Liebe Bewegung“ keine Frau mehr im Bett hatte, sich jetzt mit seinem Billigrasierer die Pulsadern aufschnitt?
Keine Zeit weiter darüber nachzudenken, denn schon stand er vor der Tür des Konferenzraums.
Zehn Minuten Verspätung, das geht doch noch.
Da es nicht im Geringsten sein Stil war einen Fehler zuzugeben oder sich gar zu entschuldigen,
betrat Brad den Raum mit einem „Wie nett, dass Sie schon alle auf mich warten.“ und ließ sich mit einem „Haben Sie vielleicht auch schon Kaffee gemacht?“ auf seinem Stuhl nieder.
„Wo haben Sie denn Anni gelassen?“
Ha, die Stimme seines Vorgesetzten klang nicht im Geringsten nach Anschiss.
Coolness siegte eben doch. Manche mochten es als Dreistigkeit verurteilen, aber…
„Herr Newman, ich habe Ihnen eine Frage gestellt? Wo ist Anni?“
Erst jetzt bemerkte Brad, dass der Stuhl zu seiner Linken leer war.
Erst war Anni nicht zu Hause und dann nicht beim Meeting?
Was war los mit Miss Pflichtbewusst? Das war sonst so gar nicht ihre Art!

„Nun ja, da wir ohnehin schon mit der Zeit im Verzug sind, müssen wir wohl ohne sie beginnen.“
Ein leises Raunen ging durch die Reihen der Agenten. Wow, Brad war noch nie aufgefallen, wie beliebt Anni hier war. Wobei, eigentlich kein Wunder als einzige Frau. Scheiß Tittenbonus.
Und die Vollpfosten hier sollten den Ball ohnehin mal flachhalten.
Keiner von denen spielte auch nur annähernd in Annis Liga…
denn, naja, als SEINE Assistentin hatte sie natürlich ein nicht zu verachtendes Prestige inne.
„Herr Newman, wie ist ihr Abend verlaufen? Haben sie das gesuchte Objekt?“
„Also, ich muss schon sagen…“, setzte Brad an und senkte den Kopf.
„Also ganz ehrlich gesagt…“, fügte er kleinlaut flüsternd hinzu.
Das Schweigen um hin herum wurde nun von immer mehr nervösen Luftschnappern unterbrochen.
„Ich weiß nicht so genau, wie ich es sagen soll…“
„Du hast es versaut, Brad?“, hörte er seinen Chef in seiner besten „Ich tu jetzt mal ganz psychologisch sinnvoll so, als würde ich dir nachher nicht den Hals umdrehen, sondern dich ganz liebevoll väterlich in den Arm nehmen und wie ein kleines Baby an meiner Brust flennen lassen“-Stimme sagen. „Ich wusste, der kann nichts!“, fügte der dumme Lothar verächtlich hinzu.
„Die Mission war ein voller, voller, voller Erfolg!“
Brad schrie nun fast und hatte sein strahlendstes Siegerlächeln aufgesetzt.
Vom Rausch des Erfolges beschwipst, sprang er aus seinem Stuhl und fuhr fort.
„Es war nicht einfach, aber ein Mann wie ich liebt und braucht die Herausforderung.
Ich möchte nicht übertreiben, aber in aller Bescheidenheit muss ich doch sagen, dass ich die Situation mit unglaublichem Geschick gemeistert habe. Damit sollte für alle Zweifler ein für alle mal klar sein:
Brad Newman ist der Größte und er hat noch eine glänzende Zukunft vor sich. Denn…“
„Brad genug davon! Geben Sie mir jetzt lieber das Fundstück.“
„Et voilà!“. Als Brad seinem Vorgesetzten das Büchlein reichte, kam ihm ein Gedanke.
Hatte Anni es nicht aus dem Schlafzimmer geholt und mitgenommen?
Aber warum hatte er es dann heute Morgen in seiner Wohnung auf dem Fußboden gefunden?
Und langsam, Stück für Stück, erinnerte er sich an eine merkwürdige Begegnung in seiner Wohnung gestern Nacht. Scheiße. Was, wenn Anni wegen ihm nicht zur Arbeit erschienen war?
Natürlich wäre das kindisch und unprofessionell, aber andererseits hatte sie ihn beim Sex erwischt… und noch dazu mit Toastbrot! Damit begann die Situation auch ihm peinlich zu werden…

„Wenn Sie mich dann nicht mehr unbedingt brauchen, Gentlemen, ich habe noch einige äußerst wichtige Termine heute und möchte mich ungern verspäten.“, murmelte er mehr oder weniger bewusst und verließ den Konferenzraum.
Zurück blieben etwa 15 verwirrte Anzugträger, die sich fragten, warum dieser Mann eigentlich überhaupt noch hier arbeitete, geschweige denn mehr verdiente als zumindest ein Drittel von ihnen.
„Naja, er ist nun mal…irgendwie…gut.“, sagte der, am Kopfende sitzende, älteste und höchstgestellte unter ihnen. „So und jetzt weiter im Programm. Joe, wie läuft’s mit dem Jonson-Fall?“

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Samstag, 30. Juli 2011
Möchtegern-Männer und die Farbe Pink III
Als Brad Newman am nächsten Morgen von den sanften Strahlen der goldenen Morgensonne geweckt wurde, drehte er sich impulsiv auf seine linke Seite und schaute in die Augen dieser einen Frau, die er so unendlich liebte. „Guten Morgen!“, flüsterte sie zärtlich an seinem Ohr, „Ich liebe dich!“.
„Ich liebe dich auch!“ und damit zog er sie nah an sich heran und ihre Lippen verschmolzen in einem leidenschaftlichen Kuss.
Als ob.
Brad Newman wusste ganz genau, dass so etwas in der Realität nicht existierte.
Solche Szenen waren eher das, was ihm schon als Teenager regelmäßig einen Brachreiz bereitet hatte, während seine sentimentale Mutter sich neben ihm auf dem Sofa die Augen ausheulte, nur wegen diesen schnulzigen, ekligen Rosamunde-Pilcher Sülzstreifen, in denen man ohnehin ab der ersten Minute des Filmes garantiert sagen kann, wer mit wem am Ende glücklich bis ans Ende seiner Tage zusammen lebt. Kotz!
Aber das hier war das wahre Leben und Liebe war ohnehin nichts weiter als eine Erfindung der Werbeindustrie. So wie der Weihnachtsmann.
So erzählten die nicht nur kleinen Kindern, sondern auch Erwachsenen, besonders verzweifelten Frauen wie seiner Mutter, Märchen, um ihren Profit zu steigern. Doch ohne ihn!
Und weil, das hier nun mal das wahre Leben war, wurde Brad selbstverständlich nicht von den sanften, warmen Sonnenstrahlen geweckt, sondern eher von etwas, das sich anhörte wie eine schwerstübergewichtige Sau, die auf der Schlachtbank noch einen letzten verzweifelten Abschiedsgrunzer von sich gab und als er sich langsam zur Seite drehte, durchzuckte nicht nur ein stechender Kopfschmerz – ein Abschiedsgeschenk der vielen Wodka Martinis von gestern Abend- die paar Gehirnzellen, die er noch von der Party hatte retten können, sondern was er sah, erweckte in ihm das Gefühl, als müsse er nun an Augenkrebs sterben.
Es hatte entfernte Ähnlichkeit mit einer Frau, könnte aber der Hautfarbe nach zu urteilen auch ein Toastbrot sein, ein schlecht blondiertes Toastbrot mit aufgespritzten Schlauchbootlippen und zwei halben Fußbällen an den Stellen, an denen sich für gewöhnlich weibliche Brüste befinden.
Wie in Trance lag Brad nun noch eine ganze Weile regungslos da und bewunderte mit einer Mischung aus Faszination und Abscheu dieses Wunderwerk der plastischen Chirurgie, das da neben ihm lag und die absolut beeindruckende Geräuschkulisse, die diese Frau zu erzeugen im Stande war und die selbst seinen Großvater väterlicherseits, der durch sein durchdringendes Schnarchen mehr als eine Frau in die Irrenanstalt getrieben hatte, vor Neid erblassen lassen würde.

Doch als bei dem Anblick der Toastbrothaut in Kombination mit den gelben Haaren, der Gedanke an Toast mit viel Butter und damit seine katerbedingte Übelkeit übermächtig wurden, löste er seinen Blick, sprang auf und kotzte, da er ohnehin niemals sein Badezimmer rechtzeitig erreichen würde, kurzerhand aus dem Schlafzimmerfenster.
Er hatte die Geranien von Frau Meyer aus dem Appartement unter ihm sowieso nie gemocht,
scheiß Altfrauen-Unkraut. Mit ein bisschen Glück waren die jetzt hinüber.
„Bradi-Mausi, alles okaaaay?“
Autsch, dieser fiese Sirenenton, mit denen die in Guantanamo Häftlinge foltern, konnte auch nicht mehr in den Ohren wehtun, als diese Stimme.
Außerdem hatte Toastbrot ihn beim Kotzen gesehen, was fast noch mehr schmerzte. Körperliche Schmerzen waren die eine Sache, aber ein Kratzer im männlichen Ego verheilte nur sehr langsam.
Also beschloss Brad seinen letzten Rest Ehre zu retten, fuhr sich einmal durch seine Haare und drehte sich mit einer- wie er fand- ungeheuerlich eleganten Bewegung zu Toastbrot um.
„Die letzte Nacht war ja ganz nett, Baby.“, unwiderstehliches Augenbrauenzucken, „Aber möchtest du jetzt nicht vielleicht Zigaretten holen gehen und nie mehr zurückkommen?“
Der Blick aber, der Brad nun entgegen kam war so verständnislos, dass er nicht umhinkonnte zu spekulieren, dass die letzte Nacht ziemlich geil gewesen sein musste, wenn in dem Spruch
„Dumm fickt gut!“ auch nur ein Fünkchen Wahrheit drinsteckte. Schade, dass er sich nicht daran erinnern konnte…
Also auf die harte Tour.
„Schätzchen, da ich vermute, dass dein von Botox zerfressenes Hirn, das ansonsten nicht so ganz zusammenkriegt, versuch ich’s jetzt so einfach zu formulieren, wie ich kann: Raus hier- und zwar sofort!“
„Du willst, dass ich gehe?“
Was für eine Blitzmerkerin! „Wow, du hast mich verstanden, ich bin beeindruckt!“
„Wirklich?“
Ja, Gehirnblutgrätsche hoch zehn, definitiv.
„Nein, das ist Ironie und nein, ich kann dir jetzt nicht erklären, was das ist, ich hab nen verdammten Kater und außerdem nicht den ganzen Tag Zeit! Also verschwinde aus meiner Wohnung!“
Und als sie den knallharten, männlichen Blick in seinen Augen sah, der diese Worte begleitete, raffte sie ohne ein weiteres Wort ihre Kleidungsstücke zusammen und machte sich auf schnellstem Wege davon. Zumindest war Brad selbst sehr überzeugt, dass es an seinem männlichen Blick gelegen haben musste.

Seufzend brühte Brad sich erst einmal einen Chai-Latte mit einem kräftigen Schuss Himbeersirup, das It-Getränk der Saison, auf (den er dann -den „Schwuchtel-Faktor“ erkennend- wieder in den Abfluss kippte und durch einen doppelten extrastarken Espresso ersetzte) und ließ sich auf sein hippes weißes Kunstledersofa fallen.
Der Espresso war widerlich bitter.
Wo war Anni, wenn man sie brauchte?
Wo war sein verdammtes Chai-Alibi? Mit einer Frau an seiner Seite durfte man ungestraft jedes Pussy-Getränk trinken. Also, wenn man die Frau nicht gerade von seiner Männlichkeit beeindrucken wollte. Aber, mein Gott, wir redeten hier von Anni.
Kurzerhand beschloss Brad sie anzurufen und einzuladen.
Er brauchte ohnehin noch jemanden, dem er von seinem genialen, gleichsam eleganten und super-sexy Auftritt von gestern vorschwärmen konnte.
„Tut, tut.“
Kurzer Blick auf die Uhr. 8.45. Naja, womöglich ein bisschen früh, aber was soll’s.
„Tut, tut.“
Was brauchte Anni denn so lange? Selbst wenn sie im Bett lag, es könnte doch wichtig sein.
„Tut, tut.“
Langsam wurde es lächerlich.
„Hallo“
Na endlich. „Hey Anni, hast du meinen Bombenauftritt gestern gesehen? Ich wollte nur…..“
„ich bin leider gerade nicht zu erreichen. Sprecht doch auf das Band, wenn ihr Lust habt.“
Anrufbeantworter. Mist.
Wer sagte erst mal „Hallo“ und machte dann ne Pause? Was für ne verdammte Verarsche!
Und wo verdammt nochmal war Anni um diese Uhrzeit?
…Und wenn sie gar nicht zu Hause geschlafen hatte?
Ach, iwo, wo sollte Anni schon gewesen sein?
Das Mädel war doch nicht umsonst schon seit Jahren Single.
Der Mann, der für sie und ihre Ansprüche gut genug war, musste erst noch erschaffen werden.
Also was war…

*Piep*
Oh, das war sein Handy.
Terminerinnerung.
Wie benommen schaute er auf das Handydisplay.
Meeting in Raum 117.
Wer zur Hölle plante samstags um 9.30 Uhr ein Meeting?
Mittlerweile war es 9.10 Uhr.
„Scheiße, Scheiße, verf***te Scheiße, verdammt!“

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Freitag, 29. Juli 2011
Möchtegern-Männer und die Farbe Pink II
Doch als sie später in ihrem Bett lag konnte Anni einfach nicht schlafen.
Sie wurde das bedrückende Gefühl einfach nicht los, Brad im Stich gelassen zuhaben.
Denn obwohl er ja ihr Vorgesetzter war, fühlte sie sich irgendwie für ihn verantwortlich.
Ob er wohl noch wach war?
Was für eine Frage!
Brad Newman war der bekloppteste Nachtmensch überhaupt.
Niemals könnte er nach einer solchen Party sofort schlafen gehen!
Anni beschloss noch einmal die fünf Blocks zu ihm herüber zu gehen.
Dann beschloss die, dass das eine dumme Idee war und legte sich wieder zurück in ihr Bett.
Nicht mal eine Minute verging und sie hatte sich wieder umentschieden.
Sie würde gehen.
Aber sie konnte nicht.
So ging das noch etwa siebzehn Mal hin und her, bis sie sich selbst fragte, was sie hier eigentlich für eine Freakshow abziehe, beschloss sich gleich morgen früh im Irrenhaus anzumelden, Schlüssel und Mantel und selbstverständlich das erbeutete Büchlein mitnahm und die Tür hinter sich zuzog.
Wieder strömte ihr kühle Luft entgegen, doch diesmal empfand Anni sie eher als negativ.
Sie konnte es nicht erwarten in Brads warmer Wohnung zu sitzen, einen Kaffee oder ihretwegen auch den neuesten Chai-Latte-Trend (es war schließlich Brad) zu schlürfen und über die erfolgreiche Mission von heute Abend zu reden.
Da sie die Tücken der uralten kaputten Türklingel, dessen Signal statt nur in der Wohnung, im gesamten Hausflur zu hören war, nur zu gut kannte, kramte sie sofort den Schlüssel , den Brad ihr „für absolute Notfälle“ anvertraut hatte, aus ihrer Hosentasche und schloss auf, um die armen Nachbarn nicht um vier Uhr morgens noch zu wecken, vor allem nicht das nette, alte Ehepaar Meyer, dessen Leben durch Brads Anwesenheit im Haus ohnehin schon schwer genug war.
Tatsächlich sah sie in Brads Wohnung noch Licht brennen, er war also noch wach.

Als Anni ins Wohn-Esszimmer von Brads Wohnung (den „Salon“, wie er es zu nennen pflegte) eintrat,
hörte sie eine eigentümliche Mischung aus Schreien und Aufstöhnen aus einem der hinteren Zimmer, vermutlich Brads Schlafzimmer.
„Oh, mein Gott, Brad!“
Voller Sorge um ihren Chef, Partner, Freund, was auch immer, und ohne weiter darüber nachzudenken rannte sie in die Richtung aus der das Geräusch gekommen war stieß mit einem Ruck die Tür auf und…
Und erstarrte.
Sie hatte mit vielem gerechnet, Qualen aller Art, aber nicht damit.
Vollkommen unversehrt lag Brad dort inmitten seiner roten „Möchtegern-Hugh-Heffner“ Satinbettwäsche- und er war nicht allein.
Über ihm kniete eine Platinblonde Mitzwanzigerin, die sich voller Scham ihre –ohnehin unechten- Brüste zu bedecken versuchte.
Natürlich hatte er die einzige Frau unter 45 auf dieser Party gefunden und gleich mit nach Hause genommen. Blondie Takeout- immer frisch, immer knackig, für den kleinen Appetit zwischendurch.
Eine gefühlte Ewigkeit lang sagte niemand ein Wort.
Es war Brad, der zuerst seine Sprache wiedergefunden hatte.
„Anni?“
Da erwachte auch Anni aus ihrer Trance.
„Ich habe dir das Buch mitgebracht.“
Und sie nahm es langsam aus ihrer Manteltasche und ließ es einfach zu Boden fallen.
„Das ist eine merkwürdige Situation.“, stellte sie noch fest, dann drehte sie sich um und verließ seine Wohnung.

Den ganzen Nachhauseweg lang konnte Anni die Tränen nicht mehr zurückhalten.
Wahrscheinlich aus Scham.
Wusste sie jetzt schon nicht einmal mehr, wie sich Sex anhörte?
War sie wirklich so lange Single gewesen?
Und doch war das nicht alles.
Als sie da in seiner Wohnung im Türrahmen gestanden hatte, war sie mehr als nur peinlich berührt gewesen. Es war ein schreckliches Gefühl durch sie gefahren, so als hätte sich ein Riss durch ihr gesamtes Inneres gezogen.
Das war lächerlich. Natürlich hätte ihr klar sein müssen, dass Brad ein Sexualleben hatte.
Man konnte sagen, was man wollte, aber gut aussehen tat er und die Frauen hatten einen Narren an ihm gefressen. Aber es zu sehen war etwas Anderes, als es eigentlich zu wissen.
Und dann auch noch mit einer Frau, die für Anni den Inbegriff alldessen verkörperte, was sie hasste.
Das war wohl das größte Problem.
Unter all seinem prahlerischen Gehabe, hatte Anni irgendwie doch mehr Stil vermutet, sie hatte ihn für wählerischer, ja anspruchsvoller gehalten.
Offensichtlich hatte sie ihn für etwas gehalten, das er nicht war.
Und das tat weh, verdammt sogar.
Und die kühle Nachtluft, die sie nur Stunden zuvor noch so genossen hatte,
peitsche nun in kräftigen Windstößen, als würde selbst die Natur sie verachten, auf Annis tränennasse Wangen ein.

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